Kaum jemand kann vom Mindestlohn leben

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Berlin. Der Osten Deutschlands ist Niedriglohnland. 30 Prozent der Arbeitnehmer in Mecklenburg-Vorpommern und 28 Prozent der Angestellten in Brandenburg, Sachsen–Anhalt, Sachsen und Thüringen erhalten lediglich den Mindestlohn, wie eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag ergibt, berichtet die dpa. Doch selbst im wohlhabenden Hamburg erhalten 18 Prozent der Menschen nur den Mindestlohn, in Berlin 20 Prozent, so das Statistische Bundesamt.

Mindestlohn rechnet sich nicht im ländlichem Raum

Wer nur den Mindestlohn für seine Arbeitsleistung erhält, hat es schwer, mit seinem Gehalt bis zum Monatsende auszukommen. Bei einer Vollzeitstelle und einem Mindestlohn von 12 Euro pro Stunde verdient ein Angestellter lediglich 1.920 Euro brutto im Monat. Nach Abzug aller Sozialabgaben für Kranken-, Pflege-, Arbeitslosen- und Rentenversicherung sind das 1.409 Euro netto bei einem kinderlosen Single. Doch ist das genug Geld?

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Die Bundesregierung setzt als Regelbedarf für Bürgergeld-Empfänger in Mecklenburg-Vorpommern rund 960 Euro fest, inklusive Miete, Nebenkosten und Lebenshaltungskosten. Die Differenz zu denjenigen, die arbeiten, ist mit 449 Euro eher gering. Wer im ländlichen Raum wohnt, auf ein Auto angewiesen ist und 200 Kilometer in der Woche fahren muss, um zum Arbeitsplatz zu gelangen, und gelegentlich auch privat mit dem Auto unterwegs ist, dem gehen leicht 200 Euro im Monat für Fahrtkosten verloren.

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Einem Angestellten bleiben in diesem Rechenbeispiel dann nur 249 Euro mehr als einem Bürgergeld-Empfänger. Kommen dann noch Kosten für die KfZ-Versicherung oder Ausgaben für eine Inspektion oder Reparatur des Autos hinzu, bleibt zum Jahresende kein Geld mehr übrig. Für einen Urlaub oder die private Altersvorsorge fehlt in diesem Fall komplett das Geld.

Lediglich für Bewohner von Großstädten, die kein Auto besitzen und in ihrer Stadt arbeiten, ist der Mindestlohn bei günstiger Miete ausreichend, um einigermaßen über die Runden zu kommen. Wer dagegen auf dem Land wohnt und weite Strecken fahren muss, für den ist der Mindestlohn eine Zumutung, denn er hat am Monatsende nicht mehr Geld als jemand, der Bürgergeld erhält.

Es ist daher nicht verwunderlich, wenn sich manch ein Arbeitnehmer lieber dafür entscheidet, zumindest temporär Bürgergeld zu beziehen statt sich direkt einen anderen Job zu suchen.

Die Politik muss handeln

Das Rechenbeispiel macht deutlich: Arbeit lohnt sich für viele Arbeitnehmer mit Mindestlohn kaum noch. Die Politik ist daher gefordert, den Mindestlohn so anzuheben, dass selbst für Bewohner ländlicher Regionen, die auf ein Auto angewiesen sind, am Monatsende mehr Geld übrig bleibt als für einen Bürgergeld-Empfänger. Diskutiert wird derzeit etwa ein höherer Mindestlohn von 14 Euro.

Im obigen Rechenbeispiel würde ein kinderloser Single bei 14 Euro Mindestlohn 2.240 Euro brutto und 1.598 Euro netto verdienen. Diese 189 Euro mehr im Monat wären bei gleichbleibenden Preisen im ländlichen Raum sicher der nötige Anreiz, um Arbeitnehmer für eine dauerhafte Beschäftigung zu motivieren und ihre Arbeitszufriedenheit zu steigern. Der Mindestlohn sollte zudem jährlich der Inflation angepasst werden.

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Wenn Parteien dagegen einen geringeren Mindestlohn fordern oder diesen mit Verweis auf die Tariffreiheit und steigende Preise für Verbraucher komplett ablehnen, haben sie den Kontakt zur Lebenswirklichkeit der kleinen Leute verloren. Sie müssen sich dann nicht wundern, wenn die Wähler ihr Kreuz nicht mehr bei den großen Parteien machen oder gar nicht mehr zur Wahl gehen.

Besonders im Osten Deutschlands sind Betriebsräte und Gewerkschaften nicht weit verbreitet und werden unter Drohung von Entlassungen und Mobbing von Arbeitgebern teils scharf bekämpft.

Ein Verweis auf die Tariffreiheit macht jedoch nur dort Sinn, wo Arbeitnehmer sich überwiegend in Betriebsräten und Gewerkschaften organisiert haben. Der Bundestag sollte daher zusätzlich eine Pflicht zur Gründung von Betriebsräten beschließen und Arbeitnehmern die Mitgliedschaft in Gewerkschaften nahelegen.

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