Analyse: Hat die Zeitung noch eine Zukunft?

Foto: Zoltán Szabó
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Kühlungsborn. Die Nachrichten in der Zeitungs- und Zeitschriftenbranche überschlagen sich derzeit. Alles weist in Richtung Niedergang. Die Auflagen der Tageszeitungen und Zeitschriften sinken kontinuierlich.

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Erste Druckereien wie diejenige der Ostsee-Zeitung haben bereits den Betrieb eingestellt, die Verlage lassen ihre Auflagen in externen Druckereien drucken. Die gemeldete, verbreitete Auflage (inklusive ePaper) beim Nordkurier ist binnen eines Jahres von 60.825 Stück (04/21) um 12 Prozent auf 53.534 (04/22) gesunken. Die verbreitete Auflage der Ostsee-Zeitung hat sich im selben Zeitraum laut IVW von 109.138 Stück (04/21) um 10 Prozent auf 98.130 Stück (04/22) reduziert.

Erste Papierproduzenten wie Steyrermühl in Österreich stellen die Produktion von Zeitungspapier ein. Die Wiener Zeitung, die älteste Zeitung der Welt, erscheint seit dem 1. Juli gar nicht mehr als Zeitung, sondern soll als rein digitales Medium weiterbestehen und wird künftig vollständig durch die Republik Österreich finanziert.

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Der Verlag Gruner+Jahr will den Großteil seiner Zeitschriftentitel verkaufen. Springer-Chef Mathias Döpfner, dem BILD und die Welt gehören, hat bereits angekündigt, die Medien rein digital ausrichten zu wollen. Die gedruckte Zeitung werde eines Tages eingestellt, so Döpfner. Die Hälfte des 3,9 Milliarden großen Umsatzes erwirtschaftete der Springer-Konzern im Jahr 2022 weltweit mit Journalismus, die andere Hälfte mit digitalen Marken wie dem Jobsuchportal „Stepstone“ und „Idealo“.

Auch in den Medienhäusern der Zeitungen in MV wird die Zielrichtung klar vorgegeben. Weil sich die Liefer- und Druckkosten immer weiter erhöhen, sollen möglichst viele Leser für das digitale ePaper gewonnen werden. Die Lieferkosten steigen wegen höherer Lohnnebenkosten, die Druckkosten wegen stark gestiegener Papierpreise. Die Gewinnmargen für die Verlage sinken immer weiter.

Medienwissenschaftler befürchten in den nächsten Jahren zunehmende Versorgungslücken bei der Zeitungszustellung, die Verlage könnten die Belieferung mit der gedruckten Ausgabe in immer mehr ländlichen Gebieten einstellen, weil die Zustellung unwirtschaftlich sei.

Hat die Zeitung noch eine Zukunft?

Diese Entwicklungen deuten daraufhin, dass die klassischen gedruckten Zeitungen und Zeitschriften ein Auslaufmodell sein und vom Markt verschwinden könnten. Doch was ist die Alternative? Fragt man die Künstliche Intelligenz ChatGPT, die ihr Wissen aus frei zugänglichen Quellen im Internet speist, dann könnten künftig Communitys den professionellen Journalismus ersetzen.

Wer in lokalen Facebook-Gruppen ist, kann die Entwicklung bereits erahnen. Einige besonders informierte Gruppen-Mitglieder teilen öffentlich zugängliche Informationen, die Vereine, Unternehmen oder die Städte auf Facebook selbst veröffentlichen. Gruppenmitglieder fühlen sich dadurch bereits mehr oder weniger gut informiert. Die klassische Lokalzeitung, die über alles berichtet, was im Ort passiert, wird dadurch weniger relevant, ihre wirtschaftliche Grundlage ist bedroht.

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Der Lokaljournalismus wird es damit immer schwerer haben, Abonnenten zu halten oder zu gewinnen. Schon heute sind die durchschnittlichen Leser der gedruckten Zeitungsausgabe mindestens 60, oftmals 70 Jahre alt und älter. Den Verlagen gelingt es bisher nicht, in gleichem Maße Leser für das digitale Abo oder das ePaper zu gewinnen.

Der Lockdown hat zwar viele Menschen in ihrer Isolation zu einem vermehrten digitalen Medienkonsum motiviert, doch seitdem wachsen die ePaper-Abos nur leicht, wie man den gemeldeten, IVW-geprüften, Abozahlen entnehmen kann.

Wie kann Lokaljournalismus relevant bleiben?

Der Journalismus, insbesondere der Lokaljournalismus, wird auf Dauer nur relevant bleiben, wenn er sich abhebt von den Informationen der Unternehmen, Städte und Vereine, die auf Facebook veröffentlicht werden.

Das bedeutet eine klare Fokussierung auf Themen, die die Städte und Kommunen selbst nur zögerlich veröffentlichen oder am liebsten hinter verschlossenen Türen diskutieren und entscheiden. Es reicht nicht mehr, nur das zu berichten, was die Vereine, Unternehmen und Städte selbst veröffentlichen. Journalisten müssen kritisch berichten, Hintergrundberichte liefern und möglichst eigene Themen setzen. Es wird zudem wichtiger, mit den Lesern in Kontakt zu treten und Vorschläge für die Themenwahl einzuholen.

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Was das Format angeht, wird eines Tages vermutlich kein Verlag mehr daran vorbeikommen, die gedruckte Zeitung nur noch in Kleinstauflage zu einem vermutlich wesentlich höheren Bezugspreis anzubieten. Das vorherrschende Format wird das ePaper für klassische Zeitungsleser sein oder das digitale Abo für diejenigen, die lieber online lesen.

Eine große Herausforderung wird es, diejenigen Online-Nutzer für sich zu gewinnen, die sich über öffentlich zugängliche Informationen in sozialen Netzwerken ausreichend informiert fühlen. Ob diese Nutzer überhaupt für das Produkt Lokalzeitung, ob gedruckt oder digital, gewonnen werden können, kann bezweifelt werden. Das ist auch die Erkenntnis der ersten Wochen seit Gründung von MORGENBLICK als Lokalzeitung.

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Das Teilen von Artikeln in sozialen Netzwerken scheint vor diesem Hintergrund eher kontraproduktiv, denn letztlich wird damit eher die Attraktivität der Facebook-Gruppen und Netzwerke erhöht.

Der werbefinanzierte, für Leser kostenfreie, Journalismus über Google-Anzeigen und Co. reicht indes auch bei großen Tageszeitungen nicht aus, um die Kosten für die Vielzahl der bestehenden Lokalredaktionen und Journalisten zu decken. Weitere Einsparungen in den Lokalredaktionen und Entlassungswellen bei Journalisten sind, unter Inkaufnahme einer reduzierten Berichterstattung, in Zukunft zu erwarten.

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